Die SPD-Stadtratsfraktion und „Die Partei“-Stadträtin Ricarda Krüger stellen folgenden Antrag zur Beratung und Beschlussfassung im Stadtrat:
I. Zum Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus stellt die Stadt Rosenheiman prominenter Stelle im Rathaus, stellvertretend für alle vom NS-Regime verfolgten und ermordeten Menschen,die im Nachlass der jüdischen Familie Block befindliche Zither dauerhaft aus.
II. Die Verwaltung wird hierzu beauftragt, alle notwendigen und geeigneten Maßnahmen insbesondere mit Blick auf Sicherheitsaspekte, konservatorischeBedingungen und Überführung der Zither zu ergreifen.
III. Am Ausstellungsort sind in geeigneter Weise Informationen (Tafel, digitale Informationsbox) zur Geschichte der vom NS-Regime verfolgten und ermordeten Bevölkerungsgruppen öffentlich zu machen.
Begründung:
I. Zwischen 1933 und 1945 wurde Europa Schauplatz eines der dunkelsten Kapitel der Menschheitsgeschichte. Millionen Juden, Roma und Sinti, Homosexuelle und politisch Andersdenkende (darunter auch Sozialdemokraten und Kommunisten) wurden von den Nationalsozialisten verfolgt und ausgegrenzt sowie in Konzentrationslager deportiert und ermordet. Auch in Rosenheim wüteten die Nationalsozialisten und beraubten Juden und Andersdenkende Ihrer Existenz.
Während im Jahr 1933 noch elf jüdische Gewerbetreibende in der Rosenheimer Innenstadt Geschäfte betrieben, konntenbis 1937 sechs dieser Gewerbetreibenden den Repressalien der Nationalsozialistennicht mehr standhalten.So veröffentlichte am 1.April 1933 der Rosenheimer Anzeiger den Aufruf des „Zentralkommittees zur Abwehr der jüdischen Greuel-und Boykotthetze“, es seien Wachen vor jüdischen Geschäften aufzustellen, die die Aufgabe hätten, vor dem Kauf in jüdischen Läden zu warnen. Der Rosenheimer SS-Führer Erich Sparmann gab die entsprechenden Adressen bekannt und brandmarkte die Juden, die „als Gäste mitten im deutschen Volk" wie schon im Krieg auch jetzt „ihr schmutziges Handwerk betrieben", als „verbrecherische Drahtzieher einer antideutschen Stimmung im Ausland“. (Quelle: Stadtarchiv Rosenheim)
Politisch Andersdenkenden wie den Sozialdemokraten erging es ähnlich. Neben gewaltsamen Übergriffen auf Kundgebungen und Versammlungen, erhöhte sich insbesondere der gesellschaftliche und politische Druck auf SPD-Stadträte. Einige Kommunalpolitiker der SPD beugten sich auch nach entsprechenden Maßnahmen wie etwa Hausdurchsuchungen dem Druck und legten ihre Mandate nieder. Am 28. Juni 1933 beschlossder Stadtrat mit den Stimmen der NSDAP, die SPD-Stadträte und ihre Ersatzleute ihres Amtes für „verlustig zu erklären“. (Quelle: Stadtarchiv Rosenheim)
In der Folgezeit bliebt es nicht nur bei Ausgrenzungen und Übergriffen, es kam zu Deportationen in Konzentrationslager und Ermordungen. DieTagebücher der Elisabeth Block, die in Niedernburg mit ihrer Familie lebte und in Rosenheim die Schule besuchte (heutige Mädchenrealschule) gewähren einen Einblick in das jüdische Leben in und um Rosen.heim. Während sie am 11.03.1938 (zu diesem Zeitpunkt 15 Jahre alt) in ihrem Tagebuch den „Anschluss“ Österreichs ans „Reich“ mit „freudiger Aufregung“ bewertete, schreibt sie am 19.11.1938: „Ich und auch Trudi und Arno dürfen nicht mehr zur Schule gehen. Mit furchtbar schwerem Herzen trennte ich mich von meinen lieben Mitschülerinnen.“ In der Folge wird der auf der Familie lastende Druck zunehmend deutlicher. 1942 wird Lisi im Alter von nur 19 Jahren im Konzentrationslager Piaski von den Nazis ermordet. Das Recht zum Leben wurde ihr von einer politischen Ideologie der Ausgrenzung und des Hasses aberkannt. (Quelle Prof. Dr. Manfred Treml)
Das Schicksal von Lisi Block steht stellvertretend für eine Vielzahl Rosenheimer Bürger, die einer Ideologie des Hasses zum Opfer fielen.
II. Vom Holocaustüberlebenden Max Mannheimer stammt das Zitat: „Ihr seid nicht schuld an dem, was war, aber verantwortlich dafür, dass es nicht mehr geschieht.“Erinnern bedeutet nicht nur, einzelnen Personen ein Andenken zu bewahren, Erinnern bedeutet auch Mahnung.
Aus Gesprächen mit engagierten Persönlichkeiten, die sich in den letzten Jahren mit der geschichtlichen Aufarbeitung der NS-Zeit beschäftigthaben, wissen wir, dass die Zither der Traudl Block (Schwester von Lisi Block) noch vorhanden ist und sich im Nachlass der Familie Block befindet. Auch wurde signalisiert, dass die Zither als Erinnerungsstück der Stadt Rosenheim überlassen werden könnte, wenn diese eine dauerhafte Ausstellung zusichert.
Aus Sicht der SPD-Stadtratsfraktion ist dieses Erinnerungsstück, auch als Symbol der Mahnung zu erhalten und dauerhaft auszustellen. Im Rosenheimer Rathaus hängen die Portraits der vergangenen Bürgermeister,mit Ausnahme der Bürgermeister, die dem NS-Regime angehörten. Mit der Ausstellung der Zither der Traudl Block, die mit der sie prägenden Geschichte einer jüdischen Familie in Rosenheim in den Jahren 1933-1942, setzt die Stadt ein eindeutiges Zeichen:
In unserem Rathaus ist kein Platz für ein Bürgermeisterportrait, das eine Herrschaft des Hasses und der Ausgrenzung symbolisiert. Wir gedenken an jenem Ort, derdie gesamte Rosenheimer Stadtgesellschaft repräsentiert, an alle Opfer, die während des Dritten Reiches aufgrund ihrer Religion, ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Herkunft oder ihrer politischen Gesinnung verfolgt wurden.
III. Das Ausstellungsstück ist sicher –ggf. in einem Schaukasten –zu bewahren. Ferner ist der Ort innerhalb des Rathauses so zu wählen, dass er der Bedeutung des Ausstellungsstücks gerecht und von den Besuchern ohne größere Umwege wahrgenommen wird.
Die SPD-Stadtratsfraktion schlägt hierfür den Vorraum der Sitzungssäle vor. Vorstellbar ist auch eine großzügige Fläche inmitten der Bürgermeisterportraits. Neben dem Ausstellungsstück sind in geeigneter Weise Informationen über das Schicksal der Verfolgten des Nationalsozialismus öffentlich zu machen (Tafel, digitale Infobox).
Der Ausstellungsbeginn ist durch eine Veranstaltung im Rathaus zu begleiten.
IV. Zur Umsetzung dieses Antrages sollteeine Arbeitsgruppe mit fachkundigen und engagierten Persönlichkeiten gebildetwerden.