Zu einem Ehrenamtsempfang für Helferinnen und Helfer in der Flüchtlingsarbeit lud die SPD-Landtagsfraktion am 27. Juli ins Hans-Schuster-Haus ein. Es kamen rund 70 Ehrenamtliche aus Helferkreisen, Hilfsorganisationen, Vereinen, Feuerwehren und Kirchengemeinden. Als besonderer Gast hielt der Fraktionschef der SPD-Landtagsfraktion, Markus Rinderspacher, eine Ansprache.
Bis Rinderspacher am Abend in Rosenheim eintraf, hatte er am Montag bereits mit seinen „roten Radlern“ eine lange Fahrradtour durch den Landkreis hinter sich. An mehreren Stationen kam er dabei mit Bürgermeistern und Kirchenvertretern ins Gespräch. So besuchte er auch die Clearing-Stelle in Wasserburg, in der sich minderjährige Flüchtlinge befinden. „Sie schilderten uns ihre Fluchterfahrungen, etwa die Durchquerung der Sahara, sie erzählten von Folter, Vergewaltigungen und Verhaftungen. Diese jungen Menschen flüchten nicht wegen 1,44 Euro Taschengeld am Tag, sondern aufgrund von blanker Not“, so Rinderspacher.
Er sei nach Rosenheim gekommen, um sich bei den Ehrenamtlichen als Politiker zu bedanken: „Sie sind Demokratiearbeiter, sie sind die Brücke der Flüchtlinge zu der Gesellschaft. Damit sind sie eine Stütze für unsere Demokratie“, so Rinderspacher anerkennend. Es sei notwendig, dass sich die Engagierten gegenseitig bekräftigen und unterstützen, weil immer wieder auch entmutigende, ernüchternde und demotivierende Erfahrungen gemacht werden. „Sie sind der Stolz Bayerns! Bleiben sie dabei, auch wenn es manchmal eine Belastung ist“, bat er die Anwesenden. An die Adresse der Landesregierung gerichtet, sagte Rinderspacher: „Bayern will überall die Nummer Eins sein, da können wir solche Zustände wie in der Bayernkaserne im letzten Herbst mit der Würde des Freistaats nicht vereinbaren.“ Außerdem müssten Politiker auf ihre Wortwahl achten, „damit man mit der eigenen Rhetorik in den Parlamenten nicht dazu beitrage, dass die Stimmung kippt“.
Zu der aktuellen Diskussion um sogenannte Abschiebelager nahm Rinderspacher ebenfalls Stellung. „Aus unserer Sicht macht es Sinn, bestimmte Kulturkreise und Menschen mit gleicher Sprache zusammen wohnen zu lassen, aber wir wollen keine Flüchtlinge 1. und 2. Klasse. Das widerspricht unserem Grundgesetz“. In den Bierzelten werde immer gerne eine schnellere Abschiebung gefordert. Allerdings habe die CSU sich in den letzten Jahren nicht dafür eingesetzt, dass mehr Stellen im Bundesamt für Migration und Flüchtlinge geschaffen, oder – wie von der SPD gefordert – 50 neue Verwaltungsrichter in Bayern eingestellt werden. Dabei könnten mit mehr Personal Asylverfahren schneller abgeschlossen werden. „Freundlich ausgedrückt ist das dann nicht konsistent“, so der Fraktionschef. Deutschland brauche ein Einwanderungsgesetz etwa nach kanadischem Vorbild, forderte der Landespolitiker. „Für jemanden, der schon seit Jahren hier lebt, die deutsche Sprache beherrscht und voll integriert ist, braucht es andere Mechanismen“. Abschiebungen ohne Sinn müssten verhindert werden, forderte Rinderpacher mehr Flexibilität. Die SPD-Landtagsfraktion mache „keine romantische Flüchtlingspolitik“, erklärte Rinderspacher. Man werde jedoch weiterhin für eine an Rechtsstaatlichkeit, Humanität und christlicher Nächstenliebe orientierte Asylpolitik werben.
Vor der Ansprache von Markus Rinderspacher wurden die Gäste von der Unterbezirksvorsitzenden der Rosenheimer SPD, Elisabeth Jordan, begrüßt. Sie betonte, dass die Arbeit mit Flüchtlingen nicht immer einfach sei. Dazu gehöre auch das „Aushalten von Trauer, Niedergeschlagenheit und auch Aggressionen“. Sie befürchtet, dass in Zukunft der Fluchtgrund Klimawandel eine immer größere Bedeutung einnehmen werde, weil Menschen die Lebensgrundlage entzogen werde.
Ein weiteres Grußwort kam von der Europaabgeordneten Maria Noichl. Sie sieht die EU vor der Verantwortung, eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge unter den 28 Mitgliedsländern zu verwirklichen. Gleichzeitig müsse sich die Europäische Union aber auch in allen Politikfeldern hinterfragen und überprüfen, inwiefern etwa die europäische Agrarpolitik oder die Handelspolitik eine Mitschuld an den Flüchtlingswellen trägt. „Menschen sind auf der Flucht, weil Europa in vielen Bereichen über den Durst lebt. Es gibt im 21. Jahrhundert keine Außenpolitik mehr, sondern nur noch eine globale Innenpolitik“, appellierte Noichl an die Verantwortung der EU.
In den Pausen spielte das Wasserburger Quintett „kreuz und quer“. Im Anschluss an die Reden gab es bei einem Stehempfang die Gelegenheit zum Austausch zwischen der Politik und den Ehrenamtlichen in Vieraugengesprächen.